Montag, 14. Juli 2008

Auf der Flucht

Von weit her schrie es.

Sie rannte und sprang. Die nackten Beinchen, die weiß wie Schnee unter dem roten Kleide hervorschauten, waren von blutigen Kratzern durchzogen. Ihr Atem rasselte, tief drinnen, in ihrer Lunge. Die Luft wollte weder ein noch aus. Sie stolperte über Erdbeeren und Pilze, über Wurzeln und weite Täler, über knorrige Bäume und Flüsse. Um sie herum wurde es hell und dunkel, hell und dunkel. Wieder brach ein neuer Tag an und sie lief immer noch. Ihre Füße waren wund und das Kleidchen zerrissen. Doch sie lief weiter, außer Atem und mit schmerzverzogenem Gesicht. Nur nicht aufgeben, dachte sie, ich muss weiter, dachte sie. Mit der starren Röte im Gesicht und den zusammengekniffenen Augen sah sie fast erwachsen aus. Von ihrer Seite und ihren Füßen stachen unendliche Schmerzen. Madita lief. Plötzlich peitschte ihr die Gischt des Meeres ins Gesicht und zersprang in tausende Tropfen. Das Wasser rauschte und brauste neben ihr. Das Salz brannte in den Wunden. Die Möwen kreischten hoch am Himmel, als verhöhnten sie das kleine arme zerzauste Ding, was sich dort weit unter ihnen zu Tode mühte.

Madita war auf der Flucht. Die Sonne brannte auf der hellen Haut. Sie fühlte den Schweiß auf ihrer Stirn, das Salz an ihrem Körper, den Sand in den Wunden und die Erschöpfung. Nur nicht aufgeben, dachte sie, ich muss weiter, dachte sie.

Madita war auf der Flucht. Auf der Flucht vor sich selbst und dem wahren Ich. Doch plötzlich hörte sie ein Lachen. Laut und polternd drang es an ihr Ohr. „Madita!“, lachte es. Doch es waren nicht die Möwen, es war nicht das Meer, es war nicht der Wind, der ihr entgegen peitschte. Es war die Welt. Die Welt lachte über sie. Von überall her lachte und kreischte es.

Madita stoppte abrupt ihren endlosen Lauf ins Ungewisse. Was war es nochmal gewesen, was die Welt ihr gesagt hatte?

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